Kriegsgefangene 1: Inhaltsverzeichnis Einführung

 

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4.6. Das Geld der Kriegsgefangenen in französischem Gewahrsam

 

Nach der Genfer Konvention von 1929 (Artikel 6, Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 24, Absatz 2, und Artikel 34, Absatz 5) sollten den Kriegsgefangenen für das ihnen abgenommene Bargeld Empfangsbestätigungen ausgestellt werden, bei der Entlassung sollten sie das Geld zurückerhalten. Es erstaunt nicht, daß es hier zu vielen Unregelmäßigkeiten kam; Frankreich vertrat zudem den abweichenden Standpunkt, daß nach der jahrelangen Besetzung Frankreichs durch die Deutschen das französische Bargeld im Besitz der deutschen Soldaten aus Diebstählen stamme oder aber aus Soldzahlungen, die die deutsche Besatzungsmacht aus Frankreich herausgepreßt habe. Daher sollte alles bei Kriegsgefangenen gefundene französische Bargeld zugunsten des Schatzamtes konfisziert werden.[1] Eine am 2. Januar 1947 erlassene neue Verfügung bestimmte nun, daß die bei der Gefangennahme abgenommenen Gelder dem Gefangenen auf einem Konto bei der Post des jeweiligen Lagers gutgeschrieben werden sollten.[2]

 

  

        Frankreich, Kriegsgefangenenlagergeld, Schein zu 1 Franc, Vorder- und Rückseite[3]

 

Offiziere und ihnen Gleichgestellte (Geschütztes Personal: Ärzte, Sanitäter, Lagerpfarrer) sollten nach Artikel 23 der Genfer Konvention auch in Gefangenschaft weiterhin Sold bekommen, der nach Kriegsende von dem jeweiligen Land an die Gewahrsamsmacht zurückzuzahlen war. Da mit Kriegsende nun das Deutsche Reich aufgehört hatte zu existieren, eine Rückzahlung des den kriegsgefangenen Offizieren gezahlten Soldes also nicht mehr zu erwarten war, sollte den Kriegsgefangenen der (wohl auf den Kriegsgefangenenkonten verbliebene) Restsold bei der Entlassung nicht mehr ausgezahlt werden.[4]

 

Soldkarte für RAD-Unterfeldzeugmeister, 1945

 

In einigen Lagern wurde auch Unteroffizieren und Mannschaften ein Sold gezahlt, mit dem sie dann Einkäufe in der Lagerkantine tätigen konnten. So bekam im Februar 1945 im Lager Chalon-sur-Saône ein einfacher Wehrpflichtiger 0,60 frs. am Tag, ein Unteroffizier 2,50 frs. und ein Oberfeldwebel 5,25 frs. am Tag.[5] Der Satz von 2,50 frs. am Tag für einen Unteroffizier galt offensichtlich auch in den Lagern Nr. 152 (Aubagne) und Nr. 162 (Rivesaltes), wie aus den Papieren eines RAD-Unterfeldzeugmeisters hervorgeht, der 1945 dort mehrere Monate verbrachte, bereits nach Kriegsende von August bis November 1945. Von 195 frs. Sold hat er in dieser Zeit nur 21,60 frs. verbraucht, er kaufte davon Tabak.

 

Etwas besser funktionierte es mit den Lohnzahlungen für die Arbeit der Kriegsgefangenen, auch wenn in einer Reihe von Lagern noch bis 1947 über Unregelmäßigkeiten geklagt wurde.[6] Unabhängig von der Art der Arbeit und der Länge der Arbeitszeit sollten die Kriegsgefangenen 10 frs. pro Arbeitstag (außer Sonntag) erhalten; davon wurden 5 frs. in Lagergeld (monnaie de camp) ausbezahlt, 5 frs. auf einem Konto gutgeschrieben. Aus den von den Vertrauensleuten der Arbeitskommandos des Lagers 201 (Épinal) auszufüllenden Fragebogen geht hervor, daß der jeweilige zivile Arbeitgeber der Kriegsgefangenen davon 5 frs., also die Hälfte des Betrages, zu zahlen hatte. Ab Januar 1948 wurde der pro Tag in Lagergeld ausbezahlte Betrag auf 15 frs. erhöht und weiterhin 5 frs. dem Gefangenenkonto gutgeschrieben. Für Bergarbeiter galten Sonderregelungen. Der Besitz normalen französischen Geldes war nicht erlaubt.

 

Viel konnten sich die Kriegsgefangenen von ihrem Lohn nicht leisten. Es war „ungefähr soviel, daß man sich für den Tageslohn 2 bis 3 Schachteln Zündhölzer kaufen konnte.“[7] Manchmal dauerte es allerdings sehr lange, bis endlich etwas gezahlt wurde, oder es gab andere Schwierigkeiten, wie fehlendes Lagergeld,[8] „und auch machen manche Stammlager noch Schwierigkeiten, vom Konto des Gefangenen den hart verdienten Lohn und Wehrsold auszubezahlen, so daß viele Gefangene trotz entsprechendem Kontoguthaben im Lager monatelang keinen einzigen Franken in Besitz hatten und sich daher auf reellem Wege oder ohne Inanspruchnahme besser gestellter Kameraden kein Briefformular (zu 1 frs.), um nach Hause zu schreiben, oder keine Rasierklinge oder Zahnpasta leisten konnten.“[9]

 

Auch gab es diesen ohnehin nur geringen Arbeitslohn nur unter bestimmten Umständen: „Übrigens hat der Gefangene auf das Taschengeld nur Anspruch für geleistete Arbeitstage auf Außenkommandos, während er für die Dauer des Aufenthaltes im Stammlager, selbst wenn er dort in einem ständigen internen Lagerkommando arbeitet, keinerlei Vergütung erhält. Dort erhält er nur die Gutschrift des ihm zustehenden Wehrsoldes, der bei den unteren Mannschaftsdienstgraden nicht einmal zu voller Bezahlung der Tabakration reicht.“[10]

 

 „Livret“ (Büchlein), Angaben zum Geldbesitz des Kriegsgefangenen (RAD-Unterfeldzeugmstr.)

 

Es gab freilich einen blühenden Schwarz- und Tauschhandel. Lagerfranken wurden mit einem Aufgeld von 10 bis 20 % in die sog. „aktiven Franken“, die normale Währung, getauscht. Schwarz gehandelt wurde so gut wie alles. Im Lager Larzac kostete im Oktober 1946 eine französische Zigarette 3 bis 5 Lagerfranken, ein 2-Kilo-Brot um die 100 Lagerfranken. Zigaretten und Brot waren neben Geld die Ersatzwährungen auf dem Lagerschwarzmarkt. Hier kosteten etwa: eine gute Hose 2 Brote, eine Ami-Hose 4 bis 5 Brote, eine Zivilhose 6 Brote, eine Unterhose 100 frs., ein Hemd 1 bis 2 Brote oder 150 frs., ein Zivilmantel 10 Brote, drei Stück Würfelzucker eine Zigarette, eine Büchse Ölsardinen 8 bis 10 Zigaretten, ein halber Liter Milch sechs Zigaretten, ein Liter Wein 70 bis 90 frs., eine Rolle Nähfaden 4 und ein Briefformular eine Zigarette.[11]

 

Im Vergleich zu französischen Zivilarbeitern wurden die Kriegsgefangenen wesentlich schlechter entlohnt. Im Département Gironde verdiente im April 1946 ein Arbeiter in der Forstwirtschaft 120 frs. am Tag, in der Industrie zwischen 128 und 156 frs. am Tag, ein Facharbeiter in der Industrie zwischen 184 und 212 frs. Für die Kriegsgefangenen fielen für die Arbeitgeber neben der Entlohnung noch Kosten für Verpflegung und Unterhalt (40 frs. am Tag) und Bewachung (10 frs. am Tag) an.[12]

 

Den größten Profit aus der billigen Arbeitskraft der Kriegsgefangenen zog freilich nicht der zivile Arbeitgeber, sondern der französische Staat. Der zu zahlende Arbeitslohn entsprach dem der französischen Zivilarbeiter und wurde vom Arbeitsdirektor des Départements festgelegt. Der Arbeitgeber zahlte diese festgesetzte Summe an den Staat, wobei er die Kosten für den Kriegsgefangenen (Entlohnung, Verpflegung, Bewachung) davon abziehen konnte.[13]

 

Bei der Entlassung erhielten die Kriegsgefangenen über die ihnen gutgeschriebenen Lohngelder eine Quittung. Diese Gutscheine wurden in Deutschland in deutsche Währung eingelöst. Bescheinigungen über bei der Gefangennahme konfiszierte Gelder wurden nicht eingelöst (ab Dezember 1948 konnten auf Reichsmark lautende Beträge eingelöst werden, nicht jedoch Beträge in anderen Währungen), ebensowenig Soldbeträge für Unteroffiziere und Mannschaften, da es sich hier um freiwillige Leistungen gehandelt hatte. Die in der sowjetischen Zone oder in Berlin lebenden ehemaligen Kriegsgefangenen konnten ihre Gutscheine nur im französischen Sektor von Berlin einlösen.[14]

 

Nicht immer ging es aber mit dem Geld der Kriegsgefangenen korrekt zu. Ein kurz vor der Heimkehr stehender Kriegsgefangener schrieb im Entlassungslager Rennes unter dem 25. Dezember 1947 in sein Tagebuch: „Die Kantine ist nun geschlossen. Die meisten Kameraden konnten bis jetzt noch nichts für ihr Lagergeld kaufen. Sie wurden auf später oder auf das Lager Bretzenheim in der französischen Zone verwiesen.“ Als sie dort am 30. Dezember 1947 ankamen, erlebten sie jedoch eine Enttäuschung: „Das französische Lagergeld ist wertlos, hier wird mit Reichsmark bezahlt. Wie viele Kameraden wurden nun wieder betrogen? Enttäuschte warfen ihre jahrelangen Verdienste in den Papierkorb. Wer mag sich nur diese Gaunerei ausgedacht haben? Auch das uns 1945 abgenommene Geld sehen wir nicht wieder, obwohl man uns immer wieder auf das Lager Bretzenheim verwies.“[15] Er selbst hatte das ihm ausgezahlte Lagergeld – insgesamt 3.200 Francs – am 18. Dezember noch zum größten Teil in „Kleinigkeiten“ umsetzen können.

 

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[1]  Böhme, Kurt W.: Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, München 1971 (Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges Bd. XIII), S. 106–107 (General Buisson u.a.: Historique du Service des Prisonniers de Guerre de l’Axe [1943–1948], Paris um 1948, S. 226; 228).

[2]  Böhme S. 107 (Buisson S. 230).

[3]  Die Kriegsgefangenen-Verwaltung des Kriegsministeriums gab Scheine zu 1, 5, 10 und 50 Francs für die Kriegsgefangenen heraus. Sie wurden vor allem an diejenigen Gefangenen ausgegeben, die bei öffentlichen Projekten beschäftigt wurden, und wurden auch in Belgien und Luxemburg verwendet. Für die bei anderen Firmen und Gesellschaften arbeitenden Kriegsgefangenen wurden eigene Scheine ausgegeben. Von über 40 Firmen sind solche Kriegsgefangenenscheine bekannt. Eine Reihe von ihnen sind allerdings spätere Phantasieprodukte zur Täuschung der Sammler (Campbell, Lance K.: Prisoner-of-War and Concentration Camp Money of the Twentieth Century, Port Clinton (Ohio) 1989, S. 28–34.

[4]  Böhme S. 107 (Buisson S. 229; die Formulierung ist etwas unklar).

[5]  Böhme S. 107 (Rot-Kreuz-Bericht vom 16.2.1945 [Nr. 518]).

[6]  Böhme S. 165–166 (Heimkehrerberichte VdH-202, Kommando Lugeac bei Auzon [Haute-Loire], 1946; WKU-223, Bourges, 1946; WKF-007, Herbst 1946).

[7]  Zitat nach Böhme S. 165 (Heimkehrerbericht DCV-3023; St-Étienne, 1946/47).

[8]  Siehe Böhme S. 165 (Heimkehrerbericht VdH-202, Kommando Lugeac bei Auzon [Haute-Loire], 1946).

[9]  Zitat nach Böhme S. 166 (Heimkehrerbericht WKF-007, Camp du Larzac).

[10]  Zitat nach Böhme S. 166 (Heimkehrerbericht WKF-007, Camp du Larzac).

[11]  Böhme S. 124 (Heimkehrerbericht WKF-007, Camp du Larzac).

[12]  Böhme S. 109, Tabelle 17 (nach Rot-Kreuz-Bericht vom 6.4.1946 [Nr. 1641] aus dem Dépôt St. Médard-en-Jalles [Gironde]).

[13]  Böhme S. 148–149.

[14]  Zur Einlösung der Guthaben Böhme S. 108; 110.

[15]  Zitate nach Böhme, Kurt / Wolff, Helmut (Bearb.): Aufzeichnungen über die Kriegsgefangenschaft im Westen, München 1973 (Die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, Beiheft 2), S. 340–342.