Kriegsgefangene 2, Texte 1

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Kriegsgefangene 2, Index

 

4.4.3. Die Zensur der Kriegsgefangenenpost in den USA

 

Beispiele für Briefe, Erlebnisberichte und Gedichte, 2

 

Kriegsgefangenenkarte aus der Sowjetunion, Vordruck von 1946, verwendet 1948

 

Aus dem Bericht eines kriegsgefangenen Polizisten vom Transport nach Marseille, 28.–29. März 1945:

Mit 39 Mann kamen wir in eine offene Lore. Nach der Reihenfolge stand uns ein anderer Wagen zu, jedoch nahm der Engländer gerade unsere halbe Kompanie heraus und steckte uns in diesen Wagen. Es war sehr kalt, der Wagen mit einer 10 cm hohen Staubschicht bedeckt und dazu, wie gesagt, offen. Für drei Tage lag Verpflegung in der Wagenecke. Zucker, Rosinen und reichlich Marmelade. Brot war gering vorhanden. Man ging sofort ans Teilen, suchte sich eine Ecke zum schlafen und stillte den Hunger, der wie gewöhnlich sehr gross war. Die grösste Sorge war, dass das Wetter gut blieb. Es wäre nicht auszudenken, bei Regen und Dreck in einer offenen Lore zu sitzen.

 

Unterwegs bewarf man uns wieder mit Steinen und bespuckte uns. Es waren junge Franzosen und Kinder. Verschiedene Kameraden trugen Verletzungen davon. Nachdem wir 3 Tage und 3 Nächte in der offenen Lore zugebracht hatten, kamen wir bei gutem Wetter am 29.3. um 12 Uhr in Marseille an. Der Zug blieb unter einer Brücke stehen, unser Wagen etwas vor der Brücke. Die Franzosenjünglinge und Kinder, Knaben und Mädchen, hatten nichts eiligeres zu tun, als uns von oben zu bewerfen und zu bespucken. Eine Französin und ein älterer Mann schimpften zwar darüber. Das waren die ersten einsichtigen Leute bis heute.

 

Bis zum anderen Mittag liess man uns ohne Verpflegung stehen. Am anderen Morgen betranken sich die französischen Wachmannschaften und schossen nach uns. Als ein Wunder muss es bezeichnet werden, dass keiner von uns Gefangenen verletzt wurde. Die Nacht war toll, kalt, regnerisch und ohne Nahrung in einer offenen Lore.

 

Kriegsgefangenenkarte aus England mit englischem und deutschem Zensurstempel, Okt. 1944

 

Brief von Egon M. aus britischer Gefangenschaft in Bari (Italien) an seine Frau, 11. September 1946:

 

Geliebtes Frauchen! Nun sind am Sonntag wieder 17 „Alte Herren“ in Richtung Heimat abgegangen. Ich warte nun sehnsüchtig auf die von dir angekündigte Bescheinigung. Hoffentlich geht dieser Brief nicht verloren. Ob ich dann auch wirklich entlassen werde, steht bei den Sternen. Die vor 2 Monaten auf demselben Wege zur „Entlassung“ gekommenen sind heute schon auf dem Wege nach England. Sie lösen die dort „wirklich“ zur Entlassung kommenden 5 jährigen Kriegsgefangenen ab. Ich will also hoffen, daß mir nicht dasselbe Mißgeschick passiert. Mache Dir bitte keine zu großen Hoffnungen. Vielleicht stehe ich doch einmal schneller als Du denkst vor Deinen Augen. Wir können nur hoffen.

 

Im übrigen steht mir das ganze eintönige, das ein hier langsam bis zum Halse. Wir leiden hier alle gleich schwer an dem seelischen Druck der Gefangenschaft – trotz Ausgang. Dieses schmutzige Süditalien wird uns in der kommenden Regenzeit viel Zeit geben, in der Bude zu hocken und dem Schicksal nachzugrübeln. Es hilft aber alles nichts. Wir müssen aber durchhalten, so schwer es auch fällt. Sei also nicht traurig, Lumpele. Es kommt doch noch einmal der Tag. Viele tausend Bussel von Deinem Mann.

 

Viele herzliche Grüße an Ruthe, Wölfi und Kurt. Warum schreibt der mir nicht einmal? Würde gern einmal von einem Mann aus Deutschland einen richtigen Bericht erhalten.

 

Karte eines Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion an seine Verlobte oder Freundin. 1. April 1947

 

Gedicht auf das amerikanische Kriegsgefangenenlager 404 Septèmes bei Marseille

 

404 !!??....

 

Wo blendend weiße Stacheldrahtpfosten,

Vor’m Tor und auf Türmen räkelnde Posten.

Wo in glühender Sonne kein schattiger Baum,

Wo Zelt sich an Zelt reiht in weitem Raum,

Wo das Sternenbanner weht vor’m Hauptquartier,

Da ist das Kriegsgefangenenlager 404.

 

 

Wo Küchenbaracken am Wege steh’n,

Mit handgearbeitetem Schnitzwerk verseh’n,

Wo aus Konservendosen und alten Kisten

Zierliche Türmchen aus Blech aufblitzen,

In mühseliger Arbeit entstand die Zier

Des Kriegsgefangenenlagers 404.

 

 

Von Künstlern, erdacht, von Könnern gemeistert,

Deren Anblick jeden B’schauer begeistert,

Entstanden Symboliken aus Sand und Stein,

Als könnte hier alles nur in Schönheit sein.

Aber wehe dem, der muß durch die Tür

Des Kriegsgefangenenlagers 404.

 

 

Wo wird bei der Aufnahme alles durchsucht,

Abgenommen alles, Wertsachen verbucht,

Kein Löffel, Feuerzeug, Füllhalter, Messer,

Sollst später bekommen, alles viel besser,

Nichts läßt man von dem Eigentum Dir

Im Kriegsgefangenenlager 404.

 

Wo wird auf Pfiff nur ständig gelaufen,

Beim stundenlangen Steh’n ist Zeit zum Verschnaufen,

Beim Zählen, Essenfassen, Flaggenparade,

Muß die Richtung sein schnurgerade,

Auf steiniger Erde mit Gesang marschiert,

Im Kriegsgefangenenlager 404.

 

 

Wo wird von Jabos[1] der Knüppel geschwungen mit Macht,

Ganz gleich, ob was Unrechtes wurde gemacht,

Auf Menschen, verängstigt und mager,

Essensentzug ist Strafe für’s Lager,

Wenn gefunden wurde ein Stückchen Papier

Im Kriegsgefangenenlager 404.

 

Wo darf man sich waschen nur alle 8 Tage,

Damit immer sauber bleibt die Waschanlage,

Alles wird für die Rot-Kreuz-Inspektion getan,

Doch auf der Erde schläft Mann an Mann,

Damit er nicht bei der Nachtkälte frier’

Im Kriegsgefangenenlager 404.

 

 

Wo ist das Essen so dünn, daß man es trinkt,

Wo horcht jeder auf, wenn das Arbeitsamt winkt,

Heraus aus Hunger und Tyrannei,

Dazu ließen sich Gefangene als Lagerführung herbei,

Jeder will nur fort von hier

Aus dem Kriegsgefangenenlager 404.

 

                                                                  Albert Meyer

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[1]  Jabos, Jagdbomber, Im Kriegsgefangenenjargon die Lagerpolizei, die aus Kriegsgefangenen gebildet wurde und wegen ihrer Brutalität berüchtigt war.